Seminar "Methodisches Handeln in der Kinder- und Jugendhilfe"

Lehrbeauftragter: Christian Spatscheck
Sommersemester 2005, MI von 9:30-12:00, Raum 103
Studiengang Sozialarbeit/Sozialpädagogik, 7.Semester
an der Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik

 

 

Musterlösung zum Beispielfall


Durchführung einer Problem- und Ressourcenanalyse

a) Ausstattung der relevanten Personen: Ausgewählte Personen: Frau Manthey, Rene, Ralf


Analyse der Ausstattung von Frau Manthey

E/M: -laut Diagnose: psychosozialer Stress, möglicherweise überfordert/ hat vermutlich schwierige Kinder
-fühlt sich von Ralf provoziert/ scheint beste Beziehung zu Franka zu haben/ angesp. Verhältnis zur Mutter
-Erfahrung des sexuellen Missbrauchs

-Psychosoziale Stresssituation wird als Ursache für Krankheitsbild betrachtet
-weiss, dass sie krank ist (Schlaganfall/vergrößerte Leber)

R: A:
-trinkt regelmäßig Alkohol, erschien alkoholisiert zum Gespräch im Amt
-will als Altenpflegerin arbeiten
-setzt sich für ihre Kinder ein, "kann kämpfen wie ein Löwe", Rangeleien auf Straße
-meldet sich nicht mehr zu Gesprächen in der Schule/geht nicht zu Elternabenden
-ist bereit für Zusammenarbeit mit JA


Ui:
39 Jahre, weiblich,
-krank (verm. Schlaganfall, vorher: ohnmächtig, Schwindel u. Kreislaufprobleme, kann sich nicht mehr an Situation erinnern, Folgeerscheinungen: linksseitige vorübergehende Lähmung, voraussichtlich behandelbar
-Blutwerte und vergrößerte Leber weisen auf regelmäßigen Alkoholkonsum hin
-sexueller Missbrauchs, als Jgdl. über mehrere Monate durch Partner der Mutter

Ue:
-Seit 10 Tagen im Krankenhaus "Zum Waldfrieden", Sozialarbeiterin Frau Fuchs,
-4 Kinder, alleinerziehend, 4 versch. Väter der Kinder (kein Kontakt), 2 ½ Zi. Neubauwohnung in 14. Etage, Wohnlage "problematisch"
-hat selbst 2 Brüder eine Schwester, Mutter trennte sich von Mann, neuer Partner der Mutter missbrauchte sie und ihre Schwester mehrere Montate sexuell als Jgdl.
-Arbeitslos, Sozialhilfe, Kindergeld, Unterhaltszahlungen, Freunde und Nachbarn, -Seit 17 Jahren Kontakt zum Jugendamt
-Ab morgen wieder zuhause, Angebot für Neurologische Praxis (Koordination der Behandlung), Ambulanz (Physio- und Psychotherapie, 4 Wochen)

Austauschpotential: Verhältnis zu Kindern, Hilfenetz, Kontakte zu Nachbarn und Freunden
Machtpotential: gering, da knappe Mittel, wenig formellen Einfluss, krank, belastet


Analyse der Ausstattung von Rene Manthey

E/M: -Mutter setzt sich für Kinder ein, wirkt aber auch überfordert
-Lehrerin mag ihn ("nett und bedürftig"), macht sich Sorgen um ihn
-Mutter im Krankenhaus, gelähmt, unklar ob sie gesund wird,

-Mutter hat wenig Zeit und muss wieder gesund werden
-weiss vermutlich, dass eine Schwester hörbehindert ist und dass sein Bruder Schwierigkeiten
(Schule/Diebstahl) hat

R: A: -nässt gelegentlich ein

Ui:
-10 Jahre, männlich,
-Sprachentwicklungsstörung, dicker als andere Kinder

Ue: -lebt bei Mutter, hat 3 Geschwister, 2 ½ Zi. Neubauwohnung in 14. Etage, Wohnlage "problematisch"
-Kein Kontakt zum Vater, Mutter alleinerziehend, anderer Vater als Geschwister, auch seine Geschwister haben keinen Kontakt zu Vätern
-Schule: 4. Klasse, Integrationsschule, Lehrerin Frau Müller setzt sich für ihn ein, Schulpsychologischer Dienst begutachtet ihn
-Mutter derzeit im Krankenhaus, Versorgung durch Nachbarn und Freunde

Austauschpotential: gering (wenig Kontakt, Freunde unbekannt), potentiale: Lehrerin und Hilfsorganisationen
Machtpotential: gering, ist stark abhängig und auf Zuwendung und Mitleid, Macht allenfalls moralisch


Analyse der Ausstattung von Ralf Manthey

E/M: -erhält Druck von Schule
-erhielt Fürsprache von JGH, Verfahren dadurch + durch sein Verhalten eingestellt
-angespanntes Verhältnis zur Mutter,

-denkt, er sei das "schwarze Schaf" in der Familie,
-weiss, dass er schlechte Noten hat und Versetzung gefährdet ist
-weiss (vermutlich), dass er seine Mutter provoziert und dass sie Franka lieber mag

R:
A:
-hat im Kaufhaus gestohlen
-war bereit Freizeitarbeiten zu leisten
-unternimmt viel mit Franka

Ui: 15 Jahre, männlich, soweit bekannt gesund

Ue:
-lebt bei Mutter, hat 3 Geschwister, 2 ½ Zi. Neubauwohnung in 14. Etage, Wohnlage "problematisch"
-Kein Kontakt zum Vater, Mutter alleinerziehend, anderer Vater als Geschwister, auch seine Geschwister haben keinen Kontakt zu Vätern
-Hauptschule, 8. Klasse
-Mutter derzeit im Krankenhaus, Versorgung durch Nachbarn und Freunde


Austauschpotential: gering, positiv: guter Kontakt zu Schwester, Hilfe bei JGH
Machtpotential: gering, eigentlich nur durch Provokation, hat sonst schlechten Stand


b) Analyse der relevanten Austauschbeziehungen: Frau Manthey und Rene Manthey sowie Frau Manthey und Ralf Manthey

Analyse des Austauschs zwischen Frau Manthey und Rene Manthey

Frau Manthey Beschreibung der Interaktionen und Austauschmuster Rene Manthey Anmerkungen der Sozialarbeiterin
Ui Umwelt intern
Kontakt im körperl. Sinne
Soweit bekannt normaler Kontakt, evtl. wenig Zärtlichkeit
Welche körperlichen
Begegnungen gibt es?
 
Ue Umwelt extern
Gütertausch (Sozioökonomisch/-ökologisch/-kulturell)

-Mutter sorgt für Renes Ausstattung, durch ihre belastete Situation und Krankheit kann sie sich jedoch evtl. nicht so um ihn kümmern, wie nötig (knappe Wohnung, wenig Geld, Schule/evtl. auch Förderung und Zuwendung/Übergewicht).
-Sein Beitrag zum Haushalt unklar

Was wird materiell
geteilt
und getauscht?
 

E Erkennen und Erleben
Kommunikation

M Modelle
Koreflektion

-Rene bekommt vermutlich sehr wenig Zuwendung von Seiner Mutter, vermutlich wünscht er sich mehr Zuwendung
-Frau Manthey will ihm diese vermutlich geben, erlebt aber ihre persönlichen Grenzen (Renes Schwierigkeiten)

-Ist die Krankheit der Mutter ein Thema? Äußert Rene seine Wünsche nach mehr Zuwendung? Gibt sie ihm zu verstehen, dass sie sich mehr um ihn kümmern wollte? Diese Fragen müssen noch geklärt werden.

Wie




Was wird
kommuniziert?

Beziehung muss in weiteren Gesprächen geklärt werden
A Aktion
Kooperation
-Wenig bekannt über gemeinsame Aktivitäten
-Ebenso unklar, ob ihr Alkoholkonsum ihren Kontakt zu Rene beeinflusst

-Gemeinsame "Projekte" unklar

Was wird zusammen unternommen?

erarbeitet?
 

Gesamtbeurteilung: Insgesamt zeichnet sich eine deutliche Schieflage ab, Rene bräuchte von Frau Manthey vor allem mehr Zuwendung, Förderung und Versorgung, angesichts ihrer knappen ökonomischen Lage und ihrer hohen Belastung durch ihre Erziehungsaufgaben und Krankheit kann Frau Manthey diese vermutlich momentan nicht so erfüllen, wie sie wollte.


Analyse des Austauschs zwischen Frau Manthey und Ralf Mantey

Frau Manthey Beschreibung der Interaktionen und Austauschmuster Ralf Manthey Anmerkungen der Sozialarbeiterin
Ui Umwelt intern
Kontakt im körperl. Sinne
Soweit bekannt normaler Kontakt
Welche körperlichen
Begegnungen gibt es?
 
Ue Umwelt extern
Gütertausch (Sozioökonomisch/-ökologisch/-kulturell)
-Mutter sorgt für Ralfs Ausstattung
-Sein Beitrag für Haushalt unklar
-Durch ihre belastete Situation und Krankheit kann sie sich vermutlich nicht so um ihn kümmern, wie nötig (knappe Wohnung, wenig Geld, Schulprobleme)

 

Was wird materiell
geteilt
und getauscht?
 

E Erkennen und Erleben
Kommunikation

M Modelle
Koreflektion

-Viel Streit, gemeinsame Streitgeschichte beeinflusst gegenseitigen Kontakt zwischen Ralf und Frau Manthey



-Er sieht sich als schwarzes Schaf in der Familie
-Sie fühlt sich von Ralf provoziert


-vermutlich wissen beide, dass sie zu einer Klärung derzeit nur schwer in der Lage sind

Wie




Was wird
kommuniziert?

-Ralf bräuchte Unterstützung beim Bewältigen seiner Schulsituation/ seines Diebstahls, spricht er dies ihr gegenüber an?

-Frau Manthey bräuchte Entlastung bei Erziehung und ihrer Krankheit, spricht die dies ihm gegenüber an?

A Aktion
Kooperation
-Außer Streit wenig bekannt über gemeinsame Aktivitäten

-Gemeinsame "Projekte" unklar.
- Unklar, ob ihr Alkoholkonsum ihren Kontakt zu Rene beeinflusst

Was wird zusammen unternommen?

erarbeitet?
Wären hier mehr gemeinsame Aktivitäten sinnvoll?

Gesamtbeurteilung: Sowohl Frau Manthey als auch Ralf sind mit ihrer Situation sehr belastet und dadurch bei einer optimalen Gestaltung einer fairen Beziehung gehindert. Gleichwohl hätten beide viel Bedarf an einer besseren Beziehung. Ihre vermutlich schon festgefahrenen Streitpunkte erschweren Situation.


c) Analyse der relevanten Machtbeziehungen: Frau Manthey und Ralf Manthey

Analyse der Machtbeziehung Frau Manthey - Ralf Mantey (aktualisiert am 29.05.05)

Machtquellen Frau Manthey Beschreibung der Interaktionen und Machtmuster Machtquellen Ralf Manthey Anmerkungen der Sozialarbeiterin
Physische Macht
(Quelle: Ui)
-Soweit bekannt keine Gewaltausübung

-Mutter kann durch (körperlich bedingte) Krankheit moralischen Druck auf Ralf ausüben
-Wer wäre körperlich überlegen?

Wie wird körperliche Macht ausgeübt?
 
Sozioökonomische Macht (Quelle: Ue) -Ralf ist ökonomisch abhängig von Mutter, insbes. bzgl. enger Wohnung, knapper wirtschaftlicher Lage.
-Sie ist abhängig von seiner Mithilfe.

Wie wird Macht durch Ressourcenbesitz ausgeübt?
 

Artikulationsmacht
(Quelle: E)


Definitionsmacht
(Quelle: M)

 

-Er kann sie schnell provozieren und sieht sich als schwarzes Schaf
-Sie hat wenig Verständnis für ihn und lässt sich schnell provozieren


-Mutter definiert vermutlich die Standards: Schulerfolg + Straffreiheit
-Ralf setzt Tatsachen durch sein Fehlverhalten/Straffälligkeit

 

Wer artikuliert welche Lage?

Wer definiert welche Lage?

Was denkt Ralf über
die gesundheitliche/ persönliche Situation seiner Mutter?

Positionsmacht
(Quelle: A)




Organisationsmacht

(Quelle A)

-Ralf kann als Jugendlicher abgrenzen und durch Fehlverhalten (Schule/Diebstahl) provozieren
-Frau Manthey kann Sohn als Mutter zurechtweisen
-Mutter muss als "gute Mutter" auch für schwierigen Sohn sorgen, (kommt dabei gleichzeitig an Grenzen: krank, knappe Mittel)

-Ralf hat guten Kontakt zu Franka, Hilfe bei JGH
-Sie hat Kontakt zu verschiedenen Hilfeeinrichtungen und Nachbarn

Wie wird Macht durch Rollen ausgeübt?




Wie wird Macht durch Netzwerke ausgeübt?


Fehlverhalten als Signal dafür, dass er zu kurz kommt?




Gesamtbeurteilung: Ralf ist ökonomisch und moralisch abhängig von seiner Mutter. Er hat jedoch durch sein Fehlverhalten sowie möglicherweise durch sein Wissen darüber, dass sie ihren Aufgaben nicht voll gerecht wird, Machtmittel gegen sie in der Hand.


e) Formulieren Sie in einer ersten Zusammenfassung die Hauptprobleme, die Sie in diesem Fall sehen